Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Gwich'in-Pelzfäustlinge und der Bedarf nach mehr Forschungszusammenarbeit

15.08.2022

Nina Döring

Dr. Nina Döring

nina [dot] doering [at] rifs-potsdam [dot] de

Im Rahmen ihres zweiwöchigen Aufenthalts als Gastwissenschaftlerin am IASS gab Dr. Charleen Fisher (University of Alaska in Fairbanks) am Freitag, 15. Juli 2022, einen Workshop über die traditionelle Herstellung von Gwich'in-Pelzfäusten und die Verarbeitung von Perlen. Die Teilnehmenden erhielten einen umfassenden Überblick über den kulturellen Kontext, in den diese Kenntnisse und Praktiken eingebettet sind und über Generationen hinweg weitergegeben werden: Dr. Fisher vermittelte Wissen über die Athabaskan-Sprachfamilie (zu der die Gwich'in-Sprache gehört), über die verschiedenen Felle, die für Kleidungsstücke verwendet werden (z. B. Fuchs, Biber, Erdhörnchen), sowie über die für verschiedene Gemeinschaften charakteristischen Stile und Techniken des Fellnähens und der Perlenverarbeitung.

Anschließend konnten die Teilnehmer sich ganz dem Nähen und der Arbeit mit Perlen widmen. Sie arbeiteten an Fausthandschuhen, für die Dr. Fisher in den Tagen zuvor Fleece-Inlets genäht und Biberfelle geschnitten hatte, oder begannen mit ihren eigenen kleinen Perlenarbeiten. Diese praktischen Tätigkeiten vermittelten einen Eindruck davon, wie mit handwerklichen Praktiken Wissen weitergegeben werden kann, das für das Leben unter extremen arktischen Bedingungen erforderlich ist, und wie diese Praktiken zudem eine menschliche Verbindung herstellen und das Wohlbefinden verbessern können.

Indigenes Wissen unter Druck

Während junge Gwich'in weiterhin die Kunst der Pelzfäustlingsherstellung und der kunstvollen Perlenarbeit von ihren Eltern und Großeltern lernen, sind sie gezwungen, sich der kolonialen und kommerziellen Ausbeutung zu widersetzen, um ihr Wissen zu bewahren. Überall in der Arktis sind Sprachen, Wissen und Leben als Folge gewaltsamer kolonialer Praktiken, die bis in die Gegenwart reichen, verloren gegangen. Staatliche Vorschriften drohen mit der Schließung von Schulen, wenn die Zahl der Schülerinnen und Schüler unter einen bestimmten Schwellenwert sinkt. Das zwingt Familien zum Umzug und führt zum Niedergang kleiner Gemeinden; die kommerzielle Fischerei dezimiert die Fischbestände, wodurch traditionelle Fischereipraktiken, die die Grundlage sozialer Netzwerke innerhalb von Gemeinden bilden, zerstört werden.

Dr. Fisher berichtete von beeindruckenden und wirkungsvollen Taten des Aktivismus und des Widerstands: Menschen, die sich der Wiederbelebung der Gwich'in-Sprache verschrieben haben und seit Jahrzehnten daran arbeiten, Kinder zu unterrichten; von Protesten gegen Schulschließungen; von ihrer eigenen Arbeit, in der sie handwerkliche Praktiken dokumentiert; und von jungen Frauen, die Perlenarbeiten in Auseinandersetzung mit der dominierenden amerikanischen Kultur neu interpretieren.

Auswirkungen auf die Forschung

Dr. Fisher hob die Dringlichkeit hervor, die indigene Wissenschaftler, Lehrerinnen, Aktivisten und andere verspüren, sowie ihre begrenzten Kapazitäten und die Notwendigkeit, sorgfältig zu überlegen, wie sie ihre Zeit und ihre Kraft einsetzen. Dies hat wichtige Auswirkungen auf nicht-indigene Forschende, die als Verbündete in kooperativen und ko-kreativen Forschungsprojekten arbeiten wollen. Der Workshop zur Herstellung von Pelzfäusten und Perlenstickerei war Teil mehrerer Workshops und Treffen (darunter auch ein Workshop bei der Kulturstiftung Sibirien in Fürstenberg, Besuche und Treffen mit den Kuratoren des Ethnologischen Museums Berlin und des Museums für Asiatische Kunst im Humboldt-Forum, des Berliner Phonogramm-Archivs, des Museums Europäischer Kulturen sowie Diskussionen mit Forschenden und Kuratorinnen und Kuratoren des Grassi-Museums für Völkerkunde zu Leipzig), die in Zusammenarbeit mit dem UFZ/iDiv (Thora Herrmann) während Dr. Fishers Aufenthalt in Potsdam organisiert wurden. All diese Aktivitäten zielten darauf ab, Kolleginnen und Forschungspartner zusammenzubringen, um über verbesserte Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen indigenen und nicht-indigenen Forschenden und indigenen Rechteinhabern in der Arktis nachzudenken und sie zu stärken.

Share via email

Copied to clipboard

Drucken