Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Forschen, Begleiten, Wandeln: Unser Forschungsprojekt zum Strukturwandel in der Lausitz

07.06.2022

David Löw Beer

Dr. David Löw-Beer

david [dot] loewbeer [at] rifs-potsdam [dot] de
Dr. Johannes Staemmler

Dr. Johannes Staemmler

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Konrad Gürtler

Konrad Gürtler

konrad [dot] guertler [at] rifs-potsdam [dot] de
Victoria Luh

Victoria Luh

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Dr. Tobias Haas

Dr. Tobias Haas

tobias [dot] haas [at] rifs-potsdam [dot] de
Der Braunkohleabbau prägt seit Jahrzehnten die Lausitz. Sein Ende eröffnet Chancen, nachhaltiges Leben und Wirtschaften in den Blick zu nehmen.
Der Braunkohleabbau prägt seit Jahrzehnten die Lausitz. Sein Ende eröffnet Chancen, nachhaltiges Leben und Wirtschaften in den Blick zu nehmen.

Die vom BMBF geförderte Begleitforschung „Sozialer Strukturwandel & responsive Politikberatung in der Lausitz“ am IASS geht nach knapp vier Jahren zu Ende. Ziel war es in der frühen Phase des Kohleausstiegs mit Akteuren in der Region herauszuarbeiten, wie Strukturwandel gerecht und demokratisch gelingen kann. Parallel zum Projektbeginn 2018 nahmen auf Bundesebene die „Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ (KWSB) und in der Region die „Zukunftswerkstatt Lausitz“ ihre Arbeit auf.

Inzwischen haben Bund und Länder eine Strukturwandel-Strategie entwickelt, Fördermittel fließen. Durch Teilhabe und sichtbare Vorhaben beginnt die Angst vor Veränderungen einer Aufbruchstimmung zu weichen – jedoch nicht überall. Wie der Lausitzer Strukturwandel gestaltet wird, ist auch eine Frage politischer Kultur. Während in Sachsen für Strukturwandel-Vorhaben Punkte vergeben werden nach Kriterien wie der Schaffung von Arbeitsplätzen, der Bedeutung eines Vorhabens für die Wirtschaftsstruktur und dem Beitrag zum Erreichen der deutschen Klimaschutzziele, geht Brandenburg einen beteiligungsorientierteren Weg.

Mit sieben Thesen werfen wir einige Schlaglichter auf unsere Forschung, die mitten in ein bewegtes Feld fiel. Transformationsforschung und transformative Forschung haben wir eng verknüpft, um die Prozesse nicht nur zu beobachten, sondern mit den Akteuren zusammenzuarbeiten. Die Links verweisen auf die jeweiligen Texte:

  1. Mit den von der KWSB vorgeschlagenen und im Strukturstärkungsgesetz beschlossenen Finanzhilfen des Bundes stehen der Lausitz erhebliche Ressourcen zur Verfügung. Sie ermöglichen es der Region die Weichen für die Zukunft zu stellen. Die Beschlüsse belegen aber auch, dass kein Systemwechsel, sondern eine Fortsetzung des exportorientierten Industriemodells angestrebt wird. Dabei stehen die Interessen von Arbeit und Kapital vor denen der Umwelt. In anderen Ländern ist es besser gelungen, die Betroffenen vor Ort in die Arbeit einer solchen Kommission einzubeziehen und ihnen dadurch auch Wertschätzung zu signalisieren.
  2. Regionale und lokale Beteiligungsprozesse lieferten wertvolle Ergebnisse und stärkten das Miteinander, doch wurden zu wenige Lausitzerinnen und Lausitzer damit erreicht (vgl. Zukunftswerkstatt Lausitz). Gerade weil die Sorge vor einer Wiederholung von Strukturbrüchen (wie nach 1990) groß und die Skepsis gegenüber politischen Eliten hoch ist, müssen staatliche Akteure aller Ebenen die Teilhabemöglichkeiten ausbauen. Strukturwandel braucht die Menschen vor Ort.
  3. Unsere Untersuchungen mit Kindern, Jugendlichen und Auszubildenden zeigen, dass die deutliche Mehrheit von ihnen motiviert ist, sich für die eigene Kommune und Region zu engagieren. Bislang bekommen sie aber kaum Informationen zum Strukturwandel und sie haben geringe Möglichkeiten sich zu beteiligen. Aktuell sollen in Brandenburg aber Strukturen geschaffen werden. Wir schlagen Beteiligungsprozesse mit jungen Menschen vor, damit sie politische Prioritäten entwickeln, Selbstwirksamkeit erfahren und regional mitgestalten können. Sie bleiben oder kommen wieder, wenn sich in der Lausitz auch Neues entwickeln kann.
  4. Der Kohleausstieg bedeutet für die Lausitz, einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, der finanziell kompensiert wird. Die industrielle Prägung reicht tief in die geografischen, sozialen und mentalen Strukturen der Lausitzerinnen und Lausitzer. Viele in der Region hatten sich arrangiert und durchaus hohe Kosten (u.a. Tagebaue) getragen, damit beispielsweise die „Smartphones in Berlin“ funktionieren, wie ein Bürgermeister einer Lausitzer Gemeinde es formulierte. Der Verlust an gesellschaftlicher Anerkennung wird als bedrohlich empfunden und ist allein mit finanziellen Förderungen nicht zu kompensieren.
  5. Auch in der Lausitz gibt es einen Hang zum Rechtspopulismus. Dabei geht es nicht nur um die Abwehr von Migration und gesellschaftlicher Liberalisierung, sondern auch um eine Verteidigung bestehender Lebensweisen, die auf einer sehr ungleichen, macht- und herrschaftsförmigen Aneignung von Natur beruht. Rechte Populistinnen und Populisten greifen Abwertungserfahrungen auf, leugnen den menschengemachten Klimawandel und verteidigen eine Lebensweise, die auf der Ausbeutung von Natur und Menschen in anderen Teilen der Welt beruht.
  6. Strukturwandel beginnt nicht erst heute oder 2038, er ist schon lange da. Das zeigen die vielen jüngeren (und oft weiblichen) Aktiven, die neue Bezüge herstellen, anders wirtschaften und Veränderung gestalten. „Wir machen das schon“ ist die Devise und Ressource vor Ort, um Strukturwandel von einer politischen Agenda zur gesellschaftlichen Aufgabe werden zu lassen. Diese aus der Region selbst kommenden Potenziale helfen, die Lausitz vielfältiger zu gestalten.
  7. Als Forschende waren wir so nah dran, wie es ging. Wir haben erhoben, beobachtet und interviewt, aber auch moderiert, zugehört und beraten. Engagierte Sozialwissenschaft heißt, Spannungen aushalten und sich auch auf Ungeahntes einlassen. Unsere Forschung richtet sich an unsere Disziplinen und ebenso an die verschiedenen Akteursgruppen vor Ort. Wenn diese Arbeit im Denken und Handeln anderer Spuren hinterlassen hat, dann war es genau so gedacht.

Die intensiven Forschungserfahrungen aus und in der Lausitz lassen sich in unserem Podcast hören und fließen in die kommenden Projekte ein. Bisher unbeantwortet geblieben ist unter anderem, wie sich regionale Wandelprozesse nachhaltig gestalten lassen, damit soziale, wirtschaftliche und ökologische Belange gleichermaßen Berücksichtigung finden.

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