Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Hoffnungsträger Methan? Viel Potenzial, aber noch wenig Ehrgeiz in der EU

14.05.2021

Charlotte Unger

Dr. Charlotte Unger

charlotte [dot] unger [at] rifs-potsdam [dot] de
Die Methanstrategie der EU will viel, bleibt aber vor allem in den Bereichen Landwirtschaft und Abfall hinter den Erwartungen zurück.
Die Methanstrategie der EU will viel, bleibt aber vor allem in den Bereichen Landwirtschaft und Abfall hinter den Erwartungen zurück.

IASS Blog von Clara Mewes, Adina Spertus & Charlotte Unger

Im Jahr 2021 steht so einiges auf der internationalen klimapolitischen Agenda. Besonders wichtig ist, dass die Länder nun endlich ihre verbesserten nationalen Beiträge unter dem Pariser Abkommen (Nationally Determined Contributions, kurz NDCs) einreichen müssen. Der von der EU aufgesetzte Green Deal trägt hierzu bei, er soll die EU mit neuen Klimaschutzzielen und vielen weiteren Maßnahmen in eine Ära des kohlenstoffarmen Wirtschaftens führen. Um ihre Treibhausgas-Emissionen weiter zu verringern, bemüht sich die EU nun auch um das Thema Methan.

Methan ist ein besonders starkes, jedoch oft unterschätztes Treibhausgas. Laut einem neuen Bericht der Climate and Clean Air Coalition (CCAC) könnte eine Reduktion der menschengemachten Methanemissionen um 45 % die Welt wieder auf einen Pfad zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens bringen und etwa 0,3°C der Erderwärmung bis 2045 vermeiden. Die EU veröffentlichte im November 2020 eine eigene Methanstrategie als Teil ihres Green Deals. Positiv ist zunächst, dass sich die EU hier an ein wichtiges, zugleich aber äußerst komplexes Thema heranwagt. Allerdings fehlt es ihr an Mut, um nicht nur unstrittige Themen wie die Reduzierung von Leckagen im Energiebereich zu adressieren, sondern auch beispielsweise tiefgreifende Veränderungen in der Landwirtschaft anzugehen.

Methan ist schwer zu fassen

Methanemissionen sind ein typisches umweltpolitisches Querschnittsthema: Zum einen entstammen sie den verschiedensten Quellen, die vom Verdauungsprozess von Rindern über die Produktion und Verteilung von Energiestoffen bis hin zu chemischen Reaktionen auf Abfallablagerungen reichen. Zum anderen haben Methanemissionen aber auch Auswirkungen auf diverse Bereiche. Methan verstärkt nicht nur die Erderwärmung, es führt zusätzlich zur Bildung von Ozon und ist so auch verantwortlich für erhebliche Luftverschmutzung. Bei beiden Problemen kommen weitreichende Folgen für die Gesundheit, Nahrungssicherheit und Lebensqualität der Bevölkerung dazu. Häufig sind die Quellen von Methan diffus oder klein, und das macht die Erfassung und Messung zusätzlich schwierig. Viele Experten sehen eine Herausforderung weiterhin in der Verbesserung der Datenlage beim Thema Methan. Diese Ausgangssituation macht die Regulierung von Methanemissionen zu einer äußerst komplexen und anspruchsvollen Aufgabe.

Doch auch die Berechnung des Einflusses von Methan auf den Klimawandel ist mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) werden Treibhausgase in „CO2-Äquivalenten“ berechnet, das heißt im Vergleich zum globalen Erwärmungspotential von CO2 über einen Zeithorizont von 100 Jahren (GWP100). Die Anwendung der CO2-Äquivalenz auf Methan ist zwar in vielen Kontexten praktisch, verdeckt aber die Tatsache, dass Methan viel stärker und gleichzeitig kurzlebiger als CO2 ist. Während Methan über einen Zeithorizont von 100 Jahren etwa 28-mal so stark wie CO2 ist, ist es in einem Zeitfenster von nur 20 Jahren 84-mal so stark. Das bedeutet zum einen, dass Maßnahmen für Methan besonders schnell ergriffen werden müssen, und zum anderen, dass die Rechnungsweise der UNFCCC dem wissenschaftlich bekannten Einfluss von Methan nicht gerecht wird.

Viel gewollt, aber wenig geschafft

Die Methanstrategie der EU startet mit einem guten Vorsatz. Sie zielt auf die zentralen für Methanemissionen verantwortlichen Sektoren ab: Landwirtschaft (verantwortlich für 53 %, der EU-Methanemissionen), Abfall (verantwortlich für 26 %) und Energie (verantwortlich für 19 %). Nach dieser Aufschlüsselung könnte man davon ausgehen, dass die Landwirtschaft der Sektor sein müsste, der am stärksten von der EU-Methanstrategie angegangen wird. Tatsächlich steht aber der Energiesektor mit zahlreichen Maßnahmen und einigen Gesetzesvorschlägen für die Öl- und Gasindustrie an erster Stelle.

Bei näherem Hinsehen ist dieser Ansatz nicht überraschend: Im Gegensatz zu Maßnahmen in der Landwirtschaft gelten Minderungsvorhaben im Öl- und Gassektor als „tiefhängende Früchte“. Sie sind relativ schnell einsatzbereit und kostengünstig. Viele dieser Maßnahmen wurden jedoch bisher nicht umgesetzt, nicht zuletzt, da die Methanstrategie der EU bereits 25 Jahre alt ist. Satellitentechnologien sollen nun Abhilfe schaffen. Nachdem in den USA hier bereits viel investiert wurde, will nun auch die EU Leckagen in der Öl- und Gasindustrie aus dem Weltall besser entdecken und kontrollieren. Da die Reduzierung von Leckagen ein Thema ist, dem viele zustimmen können, plant die EU hier Gesetzesvorschläge bereits im Jahr 2021. Außerdem ist das entstehende EU Methane Observatory ein wichtiger Bestandteil der EU-Methanstrategie. International bekommt das Thema nun viel Rückenwind: Die neue US-Regierung hat das Thema aufgenommen, aber auch internationale Foren wie die Global Methane Alliance oder die Climate and Clean Air Coalition (CCAC) setzen hier einen Fokus. Das schafft auch einen gewissen Handlungsdruck für die EU.

Minderungsmaßnahmen in der Landwirtschaft sind grundlegend schwieriger, da sie meist kostspieliger, vor allem aber auch umstrittener bei Betroffenen und in der Politik sind. Zwar gibt es auch für die Landwirtschaft viele Vorschläge, um Methanemissionen zu reduzieren, wie etwa die Entwicklung neuer Formen von Futtermitteln für das Vieh, eine verbesserte Güllelagerung oder die Änderung der Bewässerungsmethoden für Reis. Obwohl der Klima-Nutzen ohne Zweifel besteht, bringen viele dieser Technologien zunächst einmal Kosten. Es sind auch kulturelle und gesellschaftliche Hürden zu nehmen. Häufig geht es hier letztendlich um Verhaltensveränderungen oder traditionelle Wirtschaftsweisen (z.B. geringer Fleischkonsum und Tierbestand, veränderte Bodennutzung etc.).

Betrachtet man die Situation aus einer globalen Perspektive, wird schnell klar, dass die Landwirtschaft in vielen Ländern nicht nur ein elementarer Sektor der Wirtschaft ist, sondern auch eng mit der kulturellen Identität verknüpft ist. Diese vielschichtige Gemengelage macht das Thema Klimaschutz in der Landwirtschaft politisch besonders sensibel und Politiker scheuen oft vor ehrgeizigen Maßnahmen zurück. Auch die EU-Methanstrategie traut sich hier leider nicht viel: Sie konzentriert sich auf veränderte Viehfütterung und die bessere Förderung von Biogas, versteckt sich ansonsten hinter eher vagen Äußerungen zu Lebensstilveränderungen und nennt keine konkreten Ziele für den Sektor.

Da die EU im globalen Vergleich im Abfallsektor eher wenig emittiert, wirkt es ein wenig so, als ob sie sich nun auf vergangenen Erfolgen ausruht. Die bereits 1999 verabschiedete Deponierichtlinie verpflichtet europäische Deponiebetreiber, das Deponiegas entweder zur Energiegewinnung zu nutzen oder abzufackeln. Bis 2024 müssen, laut einer Verordnung von 2018, biologisch abbaubare Abfälle, die verantwortlich für die Entstehung von Deponiegas sind, in der EU getrennt von anderen Abfällen gesammelt werden. Trotz dieser europaweiten Regelungen gibt es große nationale Unterschiede. Während Deutschland mit dem Verbot der Deponierung und der zwingenden Behandlung von Abfall bereits erhebliche Minderungen erreicht hat, hinken andere Mitgliedsstaaten und Regionen hinterher. Hier hätte die EU-Methan-Strategie ansetzen können, stattdessen bleibt sie auch in diesem Bereich bei vagen Vorschlägen und verweist auf bereits existierende Gesetzgebung.

Die hier kurz skizzierte Ausgangsituation – von den diversen Quellen und Folgen von Methan, seiner wissenschaftlichen Komplexität bis hin zur politischen Umsetzungsproblematik in den verschiedenen Sektoren – macht es notwendig, viele verschiedene Akteure in die Lösung des Problems einzubeziehen. Im Winter 2020 veranstaltete das ClimAct-Team am IASS gemeinsam mit der Europäischen Kommission einen Workshop zu der neuen europäischen Methanstrategie. Dabei versuchten wir diese Herausforderung anzugehen. Die Diskussionen zeigten, dass es trotz der vielen Herausforderungen auch ein großes Potenzial gibt. Schon eine verbesserte Kommunikation und ein stärkerer Austausch zwischen den verschiedenen Ministerien, den EU-Organen und den Stakeholdern in den betroffenen Sektoren können eine bessere Ausgangslage schaffen. Ein offener Dialog, gepaart mit der großen internationalen Aufmerksamkeit, kann in der EU und in Deutschland dem Thema Aufwind geben und vielleicht auch in der Implementierung der Strategie zu etwas mehr Ehrgeiz führen.

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