Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Einmischen ermöglichen – Kultur und Nachhaltigkeit verbinden

05.05.2021

Matthias Tang

Matthias Tang

matthias [dot] tang [at] rifs-potsdam [dot] de

Wie wichtig etwas ist, merkt man oft erst, wenn es nicht mehr da ist. Diese Binsenweisheit menschlicher Reaktionsmuster können wir aktuell in Sachen Kultur beobachten: Konzerte, Ausstellungen, Theater, Kino etc. werden schmerzlich vermisst, seit die Kultur im Corona-Lockdown weitgehend stillsteht. Individuell vermissen wir das gemeinsame Erleben von Kultur, die Freude und Inspiration, die sie in unseren Alltag bringen kann. Es fehlt jedoch noch sehr viel mehr als das: Es fehlt der Raum, in dem gesellschaftliche Entwicklungen aufgegriffen und spielerisch-künstlerisch reflektiert werden; in dem gefragt wird: „Wie wollen wir leben? Wie werden wir leben?“ und Antworten auf diese Fragen imaginiert, gegeneinandergestellt, neu miteinander kombiniert werden. Diese Stärkung der Vorstellungskraft, das Unterstützen des Spekulativen fehlen vielleicht besonders in Zeiten der Pandemie, die unsere Gewohnheiten und vermeintlichen Selbstverständlichkeiten in Frage stellt, aber auch die Sehnsucht nach einer Rückkehr zu diesen Selbstverständlichkeiten hervorrufen kann.

Die Pandemie wird eines hoffentlich nicht allzu fernen Tages beendet sein, die Fragen bleiben und stellen sich in der Klimakrise noch viel stärker. Dass wir den Klimawandel begrenzen und das Artensterben aufhalten müssen, steht außer Frage. Die Frage, wie ein nachhaltiges Leben gestaltet werden soll, erfordert einen Prozess der gesellschaftlichen Verständigung, für den die Kultur wichtige Impulse liefern kann. Das große Bedürfnis und die Fähigkeit vieler Künstlerinnen und Künstler, sich mit den großen Fragen der Transformation auseinanderzusetzen – mit Forschungszeit und in Kooperation mit den Nachhaltigkeitswissenschaften – sind unübersehbar vorhanden. Bisher fehlen jedoch die richtigen Förderinstrumente: Wir brauchen andere, nachhaltigere, übergreifende Finanzierungsformen, um das Potential von Kunst und Kultur auszuschöpfen, die Gesellschaft mit neuen Ideen voranzubringen und die Kooperation mit der Wissenschaft zu ermöglichen.

Das Ziel des Fonds Ästhetik und Nachhaltigkeit | FÄN  ist es, diese Lücke zu schließen. Der FÄN soll einen weiteren Möglichkeitsraum eröffnen und den künstlerischen Aktionsradius erweitern. Er soll anregen und dabei helfen, sich in die riesige gesellschaftliche Aufgabe der Transformation einzumischen, zu kooperieren und dafür Zeit zu haben. Es geht um Projekte, die eine holistische Perspektive auf sozialökologische Problemlagen ermöglichen, indem sie den Kontext des jeweiligen „Problems“ erweitern und somit das Bestehende unter einen neuen, einem ungewohnten Blickwinkel betrachten. Es ist außerdem hohe Zeit, die kulturellen Einrichtungen dazu zu befähigen, ihren Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise dadurch zu leisten, dass sie mit Energie und Ressourcen angemessen umgehen – hierfür gibt es bereits Ideen wie z. B. die des Aktionsnetzwerkes Nachhaltigkeit, zu denen der FÄN sich komplementär verhält.

Das Konzept für den FÄN hat Adrienne Goehler ans IASS gebracht und dort weiterentwickelt, der Vorstand des IASS sowie die Forschungsgruppe „Narrative und Bilder der Nachhaltigkeit“ haben es aufgegriffen. Es wird mittlerweile von vielen Persönlichkeiten aus Kultur und Wissenschaft unterstützt. Diese breite Resonanz zeigt, dass die Zeit für die Idee des FÄN reif ist. Und wir wissen ja, dass nichts so mächtig ist, wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist …

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