Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Weniger Panik, mehr Dynamik – welche Rolle spielt das Framing für den Klimaschutz?

18.12.2020

Klimaschutz bedeutet nicht nur Verzicht, sondern auch neue Chancen.
Klimaschutz bedeutet nicht nur Verzicht, sondern auch neue Chancen.

Erinnern Sie sich noch an den Wirtschaftskongress 2019 in Davos? „I want you to panic. I want you to feel the fear I feel every day. And then I want you to act“ – das war der Appell Greta Thunbergs an die Anwesenden, und an den Rest der Welt. Fast zwei Jahre nach diesem eindrucksvollen Auftritt feiert nun die Staatengemeinschaft den fünfjährigen Geburtstag des Pariser Klimaabkommens. Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten stehen die Updates der national festgelegten Beiträge (NDCs) der einzelnen Vertragsstaaten, die für dieses Jahr erwartet werden. Bisher ist die Bilanz eher karg: Nur 21 von 197 Staaten haben ihre neuen oder überarbeiteten Pläne abgegeben, darunter fast keiner der großen Emittenten, von konkreten Klimaschutzmaßnahmen ganz zu schweigen.

Es ist fast so, als ob sich die Welt in einer Schockstarre befände. Geht es um Klimaschutz, so ist der Grundton meist das „Immer-Schlimmer“: Wir reden von Kipppunkten, verpassten Klimazielen, wir lesen über Waldbrände, Überschwemmungen und Tornados. Und all das ist natürlich nur ein Vorgeschmack auf die Katastrophe, die uns in hundert Jahren bevorstehen wird, wenn wir jetzt nicht handeln. Zu einem gewissen Grad ist diese Angst auch notwendig, um die Klimakrise als das wahrzunehmen, was sie ist: eine Krise. Angst hilft uns aber nicht, diese Krise zu bewältigen. Aus der Psychologie wissen wir, dass positive Nachrichten eher zum Handeln führen als negative. Trotz der harten Realitäten des Klimawandels brauchen wir auch inspirierende Vorbilder, Erfolgsgeschichten und anregende Zukunftsvisionen. Die Klimapolitik braucht ein neues Framing.

Ein vielversprechender Kandidat für diesen Ansatz ist das Co-Benefits-Konzept. Dieser neue Ansatz wird auch hier am IASS in Bezug auf erneuerbare Energien vom COBENEFITS-Forschungsprojekt untersucht und angewendet. Co-Benefits sind die Vorteile, die sich zusätzlich zum Klimaschutz aus Klimaschutzmaßnahmen ergeben. Das Konzept erfasst also positive Nebeneffekte klimapolitischer Maßnahmen, wie zum Beispiel Verbesserungen der Luft-, Boden- und Wasserqualität, den Erhalt von Biodiversität, gesteigerte Wirtschaftsleistungen und Energiesicherheit. Viele dieser Co-Benefits sind bereits ausgiebig wissenschaftlich erforscht und bieten ein immenses Lobbypotential für ambitionierteren Klimaschutz. Dennoch werden sie in der Klimapolitik häufig ignoriert.

Innerhalb der UNFCCC-Verhandlungen dominierte bisher die Perspektive, dass ambitionierte Klimapolitik dem Wirtschaftswachstum schadet und zu Arbeitslosigkeit führt. Allerdings ist aktuell eine Abkehr von diesem Narrativ zu beobachten. Saubere Luft, bessere Ernteerträge und die von erneuerbaren Energien geschaffenen Arbeitsplätze rücken in den Vordergrund vieler Staaten, darunter Nigeria, Mexico und Vietnam (hier ein aktueller Blogpost des COBENEFITS Teams zu Vietnam). Diese Staaten sehen ambitionierte Klimapolitik als eine Quelle für neues und nachhaltiges Wirtschaftswachstum an.

Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, sollten wir alle diesen Perspektivwandel mitvollziehen, um nicht nur die Einschnitte, sondern auch die vielen zusätzlichen Vorteile (Co-Benefits) des Klimaschutzes zu erkennen. Die aktuelle Dynamik in der internationalen Klimapolitik bietet dafür einen optimalen Anlass. Dank der neuen Netto-Null-Emissionsankündigungen der EU, China, USA und vieler weiterer Staaten berichtet der Climate Action Tracker erstmals, dass das Zwei-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens der Vereinten Nationen wieder in greifbare Nähe rückt. Diesen neuerlangten Schwung müssen wir nutzen. Wir sollten die Netto-Null-Welle reiten, anstatt mit ihr unterzugehen.

Wie die Feierlichkeiten zum fünfjährigen Bestehen des Pariser Klimaabkommens gezeigt haben, sind wir noch lange nicht soweit, wie wir es sein müssten. Um das 1,5-Grad Ziel zu erreichen, braucht es strukturellen und systemischen Wandel. Die Klimapolitik steht vor der Mammutsaufgabe diesen Wandel zu vollziehen und gleichzeitig bestehende Ungleichheiten nicht weiter zu vertiefen – und idealerweise zu beheben. Ob das Co-Benefits Konzept hierbei hilfreich ist und welche Hindernisse und Chancen sich aus dem Konzept ergeben, gilt es erst noch wissenschaftlich zu untersuchen. In meiner Masterarbeit werde ich dieser Frage auf den Grund gehen: Welche Wirkung haben Co-Benefits wenn sie in der Politik Anwendung finden? Schaffen sie es aktivere Klimapolitik zu unterstützen? Anhand von vier Fallstudien zur Entwicklung nationaler Aktionspläne, die kurzlebige Klimaschadstoffe reduzieren sollen, werde ich versuchen, diese Fragen zu beantworten. Die Ausarbeitung dieser nationalen Aktionspläne werden unterstützt von der SNAP-Initiative der Climate and Clean Air Coalition.

Grundsätzlich steht fest: Beim Klimaschutz darf es nicht nur um das „Immer-Schlimmer“ gehen. Nach einem Jahr voller negativer Meldungen braucht es motivierende Dialoge, positive Zukunftsbilder und ein neues Framing für die Klimapolitik. Staaten sollten das Potential des Co-Benefits Konzepts nutzen, um konkrete Handlungsmaßnahmen in ihren national festgelegten Beiträgen zu unterstützen. Nur so können wir der Schockstarre entkommen und den Übergang von der Angst zum ambitionierten Handeln schaffen.

Clara Mewes studiert im Master of International Affairs an der Hertie School in Berlin und unterstützt die ClimAct-Gruppe am Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS). Im nächsten Jahr schreibt sie in Zusammenarbeit mit dem IASS ihre Masterarbeit zu dem Thema Climate Policy Co-Benefits.

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