Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Außer Biokraftstoffen nichts gewesen? Bolsonaro und der brasilianische Beitrag zum Pariser Klimaabkommen

18.01.2019

Zuckerrohr dient als Rohstoff für Biokraftstoffe.
Zuckerrohr dient als Rohstoff für Biokraftstoffe.

Noch vor seinem Amtsantritt stellte der neue brasilianische Präsident Jair Bolsonaro die Rolle seines Landes bei den weltweiten Klimaschutzbemühungen infrage. Mit der Rücknahme des brasilianischen Angebots, die COP25 (die 25. Konferenz der Vertragsstaaten der Rahmenkonvention der Vereinten Nationen über Klimaveränderungen) auszurichten, löste Bolsonaro nur wenige Tage vor Beginn der COP24 großen Aufruhr aus. Zudem stellte sich heraus, dass der vom Präsidenten vorgesehene Außenminister die Erderwärmung für eine Verschwörung des „Kulturmarxismus“ hält. Diese und weitere umstrittene Äußerungen von Mitgliedern der neuen Regierung sorgen für Unsicherheit hinsichtlich der zukünftigen Umwelt- und Klimapolitik Brasiliens.

Brasilien und Biokraftstoffe – eine Strategie mit langer Tradition

Die seit Langem etablierte Biokraftstoffstrategie ist der einzige wichtige Bestandteil der brasilianischen nationalen Klimabeiträge (Nationally Determined Contributions, NDCs), dem sich die Regierung offenbar verpflichtet fühlt. Biokraftstoffe gehören schon seit den 1970er Jahren zur Energiepolitik des Landes. Damals wurde die Ethanolproduktion als Reaktion auf die Ölkrise gefördert. Die Nachfrage nach Ethanol stieg stark an, als vor 15 Jahren „Flex Fuel“-Fahrzeuge auf den Markt kamen, die mit jedem Gemisch aus Benzin und Ethanol betrieben werden können. In der Folge wurde die verpflichtende Beimischungsquote für Biodiesel wiederholt angehoben. 2016 übernahm die brasilianische Regierung eine führende Rolle bei der Gründung der Biofuture Platform. Diese internationale Multi-Stakeholder-Initiative soll eine moderne Bioökonomie fördern – und zwar auch den Einsatz erneuerbarer flüssiger Kraftstoffe im Verkehrssektor. Vor einem Jahr verabschiedete der Nationalkongress schließlich die nationale Biokraftstoffstrategie. Dieses auch unter dem Namen RenovaBio bekannte marktbasierte Instrument bietet Anreize für die Wiederbelebung der Zuckerrohrindustrie. Die Strategie soll umgesetzt werden, sobald ein Zertifizierungssystem eingeführt wurde, das die Ausgabe handelbarer Zertifikate ermöglicht.

Bemerkenswert ist, dass RenovaBio auf Zielen für eine niedrigere Emissionsintensität von im Verkehrssektor eingesetzten flüssigen Kraftstoffen beruht. Es wird also davon ausgegangen, dass Biodiesel und Bioethanol deutlich weniger Treibhausgase verursachen als fossile Kraftstoffe. Allerdings müssen die Emissionen, die in landwirtschaftlichen Prozessen entstehen (einschließlich des Rückgangs von Kohlenstoffsenken durch Landnutzungsänderungen), in die Gesamtwirkung auf die Emissionen eingerechnet werden. Daher stellt die Strategie eine Anreizstruktur in Form handelbarer Zertifikate bereit. Auf diese Weise sollen effizientere Arten der Biokraftstoffproduktion gefördert und die im Laufe des gesamten Lebenszyklus verursachten Emissionen verringert werden. Wenn das Programm dem Klimaschutz jedoch nicht förderlich ist, verliert es seine Daseinsberechtigung – zumindest laut den offiziellen Zielen. Vertreter aus dem Biokraftstoffsektor zeigen sich aber zuversichtlich, dass RenovaBio unabhängig davon, ob sich Brasilien am Pariser Klimaabkommen beteiligt, umgesetzt wird. Zwar könnte dies einen Versuch darstellen, die Investoren von einer verlässlichen Entwicklung des Marktes zu überzeugen, aber gleichzeitig zeigt sich hier eine höchst inkohärente Politik.

Gemischte Signale schaden dem Bemühen um Nachhaltigkeit

Bei einem Side Event, das die Vereinigung der brasilianischen Zuckerrohrindustrie bei der COP24 abhielt, wies Evandro Gussi, der für RenovaBio verantwortlich zeichnet, auf die Unterstützung durch Bolsonaro hin. Er zeigte sich davon überzeugt, dass der Präsident seine Haltung zum Pariser Klimaabkommen ändern werde. Doch nur wenige Tage später bekräftigte Bolsonaro seine Ansicht, das Pariser Klimaabkommen gefährde möglicherweise die Souveränität seines Landes. Es bleibt unklar, wie sich die brasilianische Regierung letztendlich positionieren wird.

Zwar ist denkbar, dass RenovaBio dennoch umgesetzt wird, aber diese gemischten Signale lassen Zweifel am tatsächlichen Beitrag des Programms zum Klima- und Naturschutz aufkommen. Die Nachhaltigkeit der Biokraftstoffherstellung wird überall auf der Welt laut hinterfragt – und zwar mit Blick auf die direkten und indirekten Folgen für die Landnutzung, die Artenvielfalt und den Wasserverbrauch. Daher enthält RenovaBio Eignungskriterien, die die direkten Auswirkungen auf Landnutzung und Artenvielfalt steuern sollen und zu denen die Einhaltung von Vorschriften gehört. Darunter fallen neben dem Waldgesetz auch ein Instrument zur Nutzungsplanung von Zuckerrohrflächen. Es soll die Expansion der Zuckerrohrindustrie derart steuern, dass auf Flächen mit natürlicher Vegetation sowie in den Amazonas- und Pantanal-Regionen kein Anbau erfolgt.

Unverzichtbar für den Umweltschutz: integrierte Gesetze und strenge Regulierung

Das Ausmaß, in dem diese Vorkehrungen negative – auch indirekte – Folgen für die Umwelt wirksam verhindern, hängt weitgehend von den Lenkungs- und Kontrollinstrumenten sowie von der Entwicklung bei anderen landwirtschaftlichen Grunderzeugnissen ab. Laut Fachleuten, die die Landnutzung in Brasilien untersuchen, erfolgt die illegale Abholzung im brasilianischen Amazonas in erster Linie durch die unerlaubte Aneignung von Land. Sie fordern, dass die Strafverfolgungsbehörden diese kriminellen Aktivitäten unterbinden. Auch in den brasilianischen Savannen schreitet die Entwaldung mit alarmierender Geschwindigkeit voran. Dort ist der Anteil der Flächen, die durch das Waldgesetz und Raumnutzungsvorschriften geschützt sind, wesentlich kleiner als im Amazonasgebiet. Dementsprechend sollten Lenkungs- und Kontrollinstrumente von wirtschaftlichen Anreizen flankiert werden, die zum Schutz der natürlichen Vegetation beitragen und die illegale sowie legale Entwaldung verhindern.

Bei der Kontrolle der Umsetzung und der Auswirkungen der miteinander verwobenen Maßnahmen, zu denen auch RenovaBio gehört, spielt eine strenge Regulierung eine entscheidende Rolle. Doch leider könnten viele Elemente, die der brasilianischen Umweltpolitik zugrunde liegen, in den kommenden Jahren torpediert werden, wenn der im Nationalkongress angesiedelte Landwirtschaftsausschuss, der traditionell versucht, die Umweltvorschriften aufzuweichen, die Größe der Schutzflächen zu verringern und die Aneignung von Land zu erleichtern, in der Regierung Bolsonaro an Einfluss gewinnt.

Wege zum Konsens

Die Brazilian Coalition on Climate, Forests and Agriculture setzt sich mit ganzer Kraft für einen Interessenausgleich zwischen landwirtschaftlicher Produktion und Waldschutz ein. Seit 2015 bringt sie einflussreiche Organisationen aus den Bereichen Landwirtschaft, Industrie, Zivilgesellschaft und Wissenschaft zusammen, um zwischen wirtschaftlichen Interessen und Klimaschutz zu vermitteln. So schlägt die Initiative mit dem Dokument „Vision 2030 – 2050: The Future of Forests and Agriculture in Brazil“ beispielsweise vor, nachhaltige Produktionsmethoden wie die Intensivierung der Produktion in geschädigten Gebieten oder integrierte Agroforstwirtschaft einschließlich Getreideanbau, Viehhaltung und Waldwirtschaft bis zum Jahr 2050 in Brasilien zur Norm zu machen.

Außerdem erklärte Alfredo Sirkis, Koordinator des brasilianischen Forums zum Klimawandel, bei der COP seine Absicht, auch dann weiter tätig zu bleiben, wenn das Gremium durch die neue Regierung aufgelöst wird. Das wissenschaftliche Forum wurde im Jahr 2000 durch die brasilianische Regierung mit dem Ziel eingerichtet, die Zivilgesellschaft für den Kampf gegen den Klimawandel zu sensibilisieren und mobilisieren. Es setzte nach dem Pariser Klimaabkommen entscheidende Debatten über gesamtwirtschaftliche Möglichkeiten des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel in Gang. Das Ergebnis waren Vorschläge für die Umsetzung der brasilianischen NDCs und für eine langfristige Strategie zur Dekarbonisierung der nationalen Wirtschaft bis zum Jahr 2060.

Diese zwei Beispiele zeigen, dass in bestimmten Bereichen gemeinsame Lösungen möglich sind. Dennoch sind die Aussichten auf mehr Ehrgeiz beim Klima- und Umweltschutz in Brasilien nicht gerade vielversprechend. Es ist schwer vorherzusagen, ob der Dialog mit den Vertretern der neuen Regierung erfolgreich sein wird.

Share via email

Copied to clipboard

Drucken