Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Ambitionierter Klimaschutz braucht mehr als klare Regeln

08.01.2019

Konrad Gürtler

Konrad Gürtler

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In Katowice zeigte sich, dass einige Staaten stärkere Vorbehalte haben, ihre künftigen Anstrengungen am 1,5-Grad-Ziel auszurichten. Dabei muss schnell gehandelt werden, um den Klimawandel aufzuhalten.
In Katowice zeigte sich, dass einige Staaten stärkere Vorbehalte haben, ihre künftigen Anstrengungen am 1,5-Grad-Ziel auszurichten. Dabei muss schnell gehandelt werden, um den Klimawandel aufzuhalten.

Die Weltgemeinschaft kann trotz der Verabschiedung des Regelwerks zum Pariser Abkommen mit den Ergebnissen der Weltklimakonferenz in Katowice nicht zufrieden sein.

Drei Jahre nach dem Klimagipfel von Paris haben sich die Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention im polnischen Katowice auf ein Regelwerk zum Pariser Abkommen verständigt. Diese „Bedienungsanleitung“ ist ein klarer Teilerfolg. Trotzdem sind die Ergebnisse der Klimakonferenz (COP24) insgesamt unzureichend, da wir wissen, wie schnell sich die Weltgemeinschaft ändern muss, um die Folgen des Klimawandels zu bremsen.

Diese Dringlichkeit zum Handeln wurde während des Gipfels noch einmal überdeutlich. Im Oktober hatte der Weltklimarat IPCC in seinem Sonderbericht gezeigt, welche Anstrengungen nötig wären, um die Erderwärmung noch auf 1,5 Grad zu begrenzen. Stattdessen steigt der Ausstoß von Treibhausgasen aus fossilen Brennstoffen und Industrie in jüngster Zeit wieder an – 2018 laut Prognosen des Global Carbon Project stärker als in den Jahren zuvor. In Bezug auf den 1,5-Grad-Bericht gab es nichtsdestotrotz Uneinigkeit: Einige Staaten – die USA, Russland, Kuwait und Saudi-Arabien – weigerten sich in der ersten Woche, den neuen Bericht gemeinsam mit den anderen Staaten angemessen anzuerkennen. Schließlich einigte man sich auf eine ambivalente Formulierung im Abschlussdokument, die Vertragsstaaten lediglich dazu „einlädt“, die Ergebnisse des Berichts in zukünftigen Diskussionen zu nutzen. Der Eklat zeigt die Politisierung der Forschungsergebnisse und offenbart, dass einige Staaten stärkere Vorbehalte haben, ihre künftigen Anstrengungen am 1,5-Grad-Ziel auszurichten.

Die polnische Präsidentschaft setzte auf der Konferenz unterdessen eigene Akzente. Das Gastgeberland – international nicht gerade für seine Klimaschutzambition bekannt – versuchte unter anderem das Thema gerechte Transformation (just transition) zu betonen. Transformationsprozesse hin zu einer CO2-armen Wirtschaft gerecht zu gestalten ist ein wichtiger Baustein, um Widerstände überwinden zu können. Zugleich besteht momentan aber die Gefahr, dass ein enges Verständnis – eine gerechte Transformation nur für Arbeitende in fossilen Industrien – die Klimaschutzambition unterminiert. Jedenfalls darf dieses Argument nicht genutzt werden, um die notwendigen Veränderungen weiter zu verzögern. Dass Ambition und Gerechtigkeit bisweilen in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen,  war bei der Klimakonferenz in Polen unübersehbar.

Nichtsdestotrotz kann die Hervorhebung von Gerechtigkeitsfragen in Transformationsprozessen ein willkommener Anlass sein, um den Austausch zu diesem Thema auch und gerade zwischen Industrieländern zu intensivieren. Schlussendlich sollte die Frage im Mittelpunkt stehen, wie Stakeholder gemeinsam das Ambitionsversprechen einlösen können und gleichzeitig für gerechtere Prozesse und Resultate sorgen können. Davon kann beispielsweise auch die Lausitz mit ihren Herausforderungen durch den fortlaufenden Strukturwandel profitieren. Das IASS widmet dem sozialen Strukturwandel in der Region nun – gemeinsam mit anderen Partnern – ein Forschungs- und Beratungsprojekt. Der Blick über den Tellerrand kann helfen, zu verstehen, dass die Lausitz mit ihren Herausforderungen nicht allein dasteht und andernorts bereits richtungsweisende Erfahrungen gemacht und neue Ansätze ausprobiert werden. Dabei sind trotz der negativen Auswirkungen auch viele Chancen und Benefits mit der Transformation verknüpft. Auch hier stellt sich allerdings die Fragen, wer wo, wie und in welchem Maße davon profitieren kann.

Bei den Verhandlungen zum Regelwerk selbst traten die üblichen Konfliktlinien zwischen den verhandelnden Staaten zutage. Besonders über die Frage nach der Differenzierung zwischen den Regeln für Industrie- und Entwicklungsländer wurde ausgiebig gestritten. Schließlich konnte man sich jedoch auf einen Text verständigen, der für beide Ländergruppen im Allgemeinen gleiche Regeln vorsieht. Flexibilität wurde den Ländern eingeräumt, denen die Kapazitäten fehlen, diese Regeln zu befolgen. Schwach sind die Regeln für Klimafinanzierung: Etwa können die entwickelten Länder Kredite in vollem Umfang zur Klimafinanzierung zählen. Aus Sicht der am stärksten von Klimawandel Betroffenen sind das schlechte Neuigkeiten. Beim Thema Marktmechanismen konnte gar keine Einigung erzielt werden. Daher wurde der Themenkomplex auf die nächste Klimakonferenz (COP 25) vertagt, die Ende 2019 oder Anfang 2020 in Chile stattfinden wird.

Alles in allem bleibt ein gemischtes Bild vom Gipfel in Katowice. Angesichts der geringen Erwartungen, der Komplexität der Verhandlungen und des Zustands der internationalen Diplomatie ist die Einigung auf das Regelwerk bereits ein Erfolg. Schaut man sich jedoch die gigantischen Herausforderungen durch den Klimawandel an, erscheint das Ergebnis der vergangenen Wochen eher zaghaft. Oder, wie es die 15-jährige schwedische Schülerin Greta Thunberg ausdrückt: „Wir können die Krise nicht lösen, wenn wir sie nicht als solche behandeln. Und auch nur, wenn sich politisches Handeln auf das konzentriert, was getan werden muss, und nicht auf das, was politisch möglich ist.“

Eine Version dieses Artikels erschien am 17. Dezember 2018 auf der Website des Deutschen Klima-Konsortiums (DKK).

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