Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

„Faktencheck Artenvielfalt“ liefert erste Bestandsaufnahme für Deutschland

08.10.2024

Es steht nicht gut um die biologische Vielfalt in Deutschland, zeigt der am 1. Oktober vorgestellte „Faktencheck Artenvielfalt“. Zu dieser umfassenden Bestandsaufnahme trugen 150 Autorinnen und Autoren von 75 Institutionen und Verbänden bei, darunter auch vom RIFS. Neben vielen schlechten Nachrichten in Bezug auf biologische Arten und deren Lebensräume, vermitteln die Forschenden auch Hoffnung: Als Hauptverursacher haben wir es selber in der Hand, den Trend umzukehren.

Faktencheck Artenvielfalt

Der „Faktencheck Artenvielfalt“ zeigt erstmals, wie es um die biologische Vielfalt in Deutschland steht. Mehr als die Hälfte der natürlichen Lebensraumtypen in Deutschland weist einen ökologisch ungünstigen Zustand auf, täglich verschwinden weitere wertvolle Habitatflächen. Die Konsequenz: Populationen von Arten schrumpfen, verarmen genetisch oder sterben aus – mit direktem Einfluss auf die Leistungsfähigkeit und Funktionsweise von Ökosystemen. Ein Drittel der Arten in den verschiedenen Lebensräumen sind gefährdet, etwa drei Prozent sind bereits ausgestorben. Für den „Faktencheck Artenvielfalt“ wurden sechs verschiedene natürliche Lebensraumtypen untersucht und bewertet in Bezug auf Status und Trends der Biodiversität und Ökosystemleistungen, die direkten und indirekten Treiber der beobachteten Veränderungen sowie Instrumente und Maßnahmen.

Mensch und Klimawandel schaden der Küste

Barbara Neumann, Geographin und Forschungsgruppenleiterin am RIFS, war Teil der Autoren-Gruppe, die unter der Federführung des Helmholtz-Instituts für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg für den „Faktencheck Artenvielfalt“ das Kapitel zum Lebensraum Küste und Küstengewässer verfasst hat. Oftmals wird angenommen, dass dieser Lebensraum der menschlichen Nutzung weniger stark unterliegt als natürliche Lebensräume an Land. Aber auch an den Meeren und Küsten haben menschliche Eingriffe und Einwirkungen Strukturen verändert und die Artenvielfalt stark beeinträchtigt. Die Treiber dieser Veränderungen liegen nicht nur in Nutzungen im direkten Bereich der Meeres- und Küstenlandschaften, sondern auch an Land, wo zum Beispiel Nähr- und Schadstoffe aus Landwirtschaft und Industrie in Fließgewässer eintragen werden und von dort in die Küstengewässer und Meere gelangen. Darüber hinaus spielt der Klimawandel eine erhebliche Rolle und wird nach Einschätzung der Expertinnen und Experten zukünftig der primäre Treiber des Biodiversitätswandels im Küstenbereich sein.

Aus politisch-rechtlicher Sicht sind Küsten und Küstengewässer stark reguliert, von der internationalen und europäischen Ebene über nationale Gesetze bis zur Ebene der Küstenbundesländer. Dennoch weist das System Lücken auf. So sind durch die Fernwirkung von Treibern wie der Landwirtschaft nicht nur direkt auf Küsten und Meere ausgerichtete Vorgaben, Instrumente und Maßnahmen für den Erhalt der Artenvielfalt und den Schutz des Lebensraums von Bedeutung. Auch übergeordnete Regulierungen wie die gemeinsame Agrarpolitik der EU spielen eine erhebliche Rolle. Es fehlt an vielen Stellen an sektorübergreifenden Ansätzen oder Umsetzungen. 

Ein Netzwerk für den Küstenschutz

Die Autorinnen und Autoren des Kapitels halten fest, dass die Politik bei der Regulierung nachbessern muss. Dafür ist überregionale und internationale Abstimmung und Zusammenarbeit nötig. Die meisten Treiber des Biodiversitätswandels an den deutschen Küsten und Küstengewässern sind nicht lokal, sondern regional oder global zu verorten. Eine Handlungsoption wäre beispielsweise, die Schutzfunktion von ausgewiesenen Schutzgebieten durch Einschränkung der Nutzungsformen zu verbessern und diese in ein Netzwerk räumlich kommunizierender Schutzgebiete einzubinden. Auch eine verstärkte Zusammenarbeit über Sektoren und Ländergrenzen hinweg ist dringend geboten. 

Zum „Faktencheck Artenvielfalt“ und zu Kapitel 6:

  • Wirth, C.; Bruelheide, H.; Farwig, N.; Marx, J.; Settele; J. (2024): Faktencheck Artenvielfalt - Bestandsaufnahme und Perspektiven für den Erhalt der biologischen Vielfalt in Deutschland. München, oekom. DOI: https://doi.org/10.14512/9783987263361
  • Hodapp, D.; Buschbaum, C.; Dutz, J.; Engel, A.; Eskildsen, K., Hepach, H.; Hinkel, J.; Jacob, U.; Jansen, F.; Jürgens, K.; Karez, R.; Kleyer, M.; Krause, J.; Quaas, M.; Neumann, B.; Rick, J. J.; Riekhof, M.-C; Rohner, S.; Scheiffarth, G.; Sell, A.; Siebert, U.; von Weber, M.; Wiltshire, K.; Hillebrand H., Küste und Küstengewässer, In: Wirth, C.; Bruelheide, H.; Farwig, N.; Marx, J.; Settele; J. (2024): Faktencheck Artenvielfalt - Bestandsaufnahme und Perspektiven für den Erhalt der biologischen Vielfalt in Deutschland. München, oekom. DOI: https://doi.org/10.14512/9783987263361

Kontakt

Barbara Neumann

Dr. Barbara Neumann

Forschungsgruppenleiterin
barbara [dot] neumann [at] rifs-potsdam [dot] de
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